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Und plötzlich ist es Krebs

Ihr Lieben,

heute wird es sehr persönlich und es gibt es einen etwas anderen Blogbeitrag und eine Bitte. Zuvor muss ich aber eine Triggerwarnung hinsichtlich des nachfolgenden Textes aussprechen.

Diese Woche ist der zweite Todestag meiner Mam und ich trage mich schon einige Zeit mit der Idee, unsere Geschichte in einem Buch zu schildern und mit Tipps anzureichern, denn ich wäre in dieser Zeit oftmals froh gewesen, hätte ich manches gewusst.

Mir geht es nicht um Vollständigkeit oder finale Expertise. Ich möchte meine Erfahrungen teilen, im Sinne von, was ist wichtig, was würde ich anders machen, was habe ich daraus gelernt, was durfte ich erleben und was finde ich wichtig, was kann ich anderen weitergeben und was fragen mich Menschen häufig. Gerade die Sterblichkeit unserer Eltern ist ein häufig unangenehmes Thema, doch ich kann nur dafür plädieren, Dinge anzusprechen solange es möglich ist. Das gilt im Grunde für uns alle – wohl kaum jemand setzt sich gerne mit Krankheit und Tod auseinander, doch es ist unausweichlich.

Parallel zu meiner Mutter sind zwei enge Freundinnen ebenfalls schwer erkrankt und ich habe innerhalb von 16 Monaten drei Frauen im Alter von 72, 58 und 43 Jahren verloren.


Das Buch soll anderen helfen, sowohl in einer solchen Situation als auch im besten Falle vorbereitend. Auch wenn es schwer fällt, sollten wir uns alle Gedanken darüber machen, wie wir wollen, dass man mit uns umgeht, wenn wir erkranken oder gar nicht mehr selbst in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen bzw. zu äußern und wie wir damit umgehen, wenn wir für andere Entscheidungen treffen müssen... Soweit meine Überlegungen und jetzt kommt Ihr.

Was meint Ihr, taugt es? Ich habe schon einige Meinungen, möchte aber von euch wissen, ob Ihr so etwas kaufen und lesen würdet. Aktuell überlege ich, es als eBook zu vermarkten: Was sagt Ihr? Schreibt mir bitte gerne, ich bin super dankbar für eure Rückmeldungen. Einen ersten Eindruck bekommt Ihr natürlich auch. Daher die Triggerwarnung, denn wir legen los mit dem Anfang …


Danke euch allen! Habt es fein, bleibt gesund und voller Vertrauen – Rock 'n' Roll & Ommm Michi


Krebs mit Mama

Der 14. Januar 2019 ist mein erster Arbeitstag des Jahres und es ist das letzte Mal, dass ich in einem Fitnesskurs ohne mein Handy sein werde.

Nach einem unfassbar anstrengenden Jahr, das auf seinen letzten Metern noch von einem Wasserschaden gekrönt wurde, möchte ich mich endlich entspannen, Sport machen und Zeit fürs Wesentliche haben. Ich habe die freien Wochen seit Weihnachten genossen, denn wir sind alle am Limit. Selbst Mam schaltet einen Gang runter, irgendwie scheint sie eine Erkältung erwischt zu haben, die sie keuchen lässt und seit Jahren zum ersten Mal zum Arzt zwingt.

So geht es nach der Arbeit direkt ins Studio und ich tobe mich körperlich aus. Mit gutem Gefühl laufe ich zum Parkplatz und schnappe mir mein Handy, um meine Mutter anzurufen und zu fragen, was der Arzt zu ihrer Atemnot gesagt hat – und erstarre. Wenn du mehr als ein Dutzend Anrufe von deiner Mutter und von deiner Tante verpasst hast, dann weißt du, dass etwas passiert ist.


Prompt ist meine Mutter nicht erreichbar, aber von meiner Patentante erfahre ich, dass Mams Hausarzt am späten Nachmittag angerufen und sie in die Klinik eingewiesen hat. Wirklich Genaues weiß man nicht. Sie hat wohl drei Sachen für die Klinik gepackt und widerwillig zugestimmt, da es doch gerade so gar nicht passen würde. Ich schalte noch im Auto auf Machen-Modus um, telefoniere mit meiner anderen Tante, der Schwester meiner Mutter. Sie wohnt im gleichen Haus wie ich und ist bereits abfahrbereit. Ich schlüpfe in ein paar andere Klamotten, dann geht es in die Notaufnahme.

Nach einigem Warten darf ich zu Mam, die auch nicht so recht weiß, was eigentlich vor sich geht. Ihr Hausarzt war recht zufrieden mit Blutdruck und Herz, aber beunruhigt wegen ihrer Lunge und hatte Blut abgenommen, um sie weiter durchzuchecken. Dann habe er angerufen und gesagt, er wolle sie in der Klinik wissen. Sie hat sich total aufgeregt, wobei ihr ein Gefäß im Auge geplatzt ist, was sie gerade mehr beschäftigt als der Rest. Wir überlegen, was zu tun ist. Sie hat zwei Katzen, die versorgt werden müssen und auch wenn Sie eine kleine Tüte gepackt hat, ist das irgendwie kopflos geschehen – ganz untypisch für sie.

Diese Papiertüte mit Habseligkeiten am Fuße eines Betts in der Notaufnahme beunruhigt mich und ich versuche herauszufinden, worum es geht, während ich ihre Angst spüre. Sie nuschelt etwas von Blutwerten und Anämie. Ein Arzt kommt, es braucht weitere Untersuchungen. Meine toughe Mutter, die Pragmatikerin, die Macherin, sie wirkt auf einmal ganz klein und bei jeder Frage wirkt sie so, als ginge es um richtig oder falsch.

Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass sich die Besuchszeit der Notaufnahme dem Ende zuneigt. Ich frage kurzerhand die Pflegekräfte, ob ich später noch einmal kommen darf, um Tante Gertrud heimzubringen und noch ein paar Sachen für Mam zu holen. Ich darf.


Händchenhalten über Monate - kann ich!

Unterwegs beruhige ich meine Tante, die letztlich gar nicht zu meiner Mam durfte, gebe Rückmeldung an meine andere Tante und heule kurz bei ihr, weil ich merke, wie die Panik in mir hochkriecht und sich in meinem Bauch eine harte Faust ballt.

DAS ist nicht gut! Was soll ich noch einpacken? Mam ist alleine, sie hat Angst, sie will nicht über Nacht in der Klinik bleiben. Mein Blick fällt auf eine Tüte: Wir waren vor ein paar Tagen einkaufen und haben einem niedlichen Kuscheltier nicht wiederstehen können. Wir wussten noch nicht, wer diesen kleinen Affen mit den Schlenkerarmen und -beinen bekommen sollte, aber wir mussten ihn mitnehmen… Laut Schild heißt der Affe ‚Mattie‘ und er wird meiner Mutter von der ersten Nacht an, ein treuer Begleiter sein.

Ich schleiche zurück in die Notaufnahme. Wir legen eine Badezimmerrunde für die Nacht ein, sie freut sich über ihren tierischen Begleiter und wir erfahren von einem Arzt, dass es noch Bluttransfusionen geben wird.

Er klärt uns auf; ihre Werte sind schlecht, die Lungenfunktion verlangt nach einer Punktion und ganz am Ende fällt zum ersten Mal das Wort Leukämie.

Es ist ganz klein und leise dieses Wort. Ich nehme es behutsam mit nach Hause, wende es hin und her, stelle fest, dass ich wenig darüber weiß und doch die Gewissheit aus der Faust in meinem Bauch aufsteigt. Ich kann es nicht lassen, google Leukämie und mache mich schlau. Recherchieren kann ich. Ich lerne, dass es chronische und akute Formen gibt, dass es Risiko-Klassifizierungen gibt, dass Leukämie nicht erblich ist, man einen Spender braucht … Ich wappne mich.


Am nächsten Morgen spreche ich früh mit Mam, sie hat Blut- und Plasmatransfusionen in der Nacht erhalten, sie hat kaum geschlafen. Es stehen weitere Untersuchungen an und sie wartet darauf, auf Station gebracht zu werden. Wir machen aus, dass ich zur Arbeit gehe, um dort Notwendiges zu regeln und dann zu ihr komme.

Bis es auf Station geht, ist es Mittag. Sie hat zwischenzeitlich Unterlagen bekommen, die sie lesen und unterschreiben soll. Es sind Aufklärungsbögen und die Einwilligung, ihre Testergebnisse in eine große Datenbank zu geben, um mögliche Spender ausfindig zu machen. Die Verdachtsdiagnose wird bedrohlicher. Endlich kommt ein junger Mann, setzt Mam in einen Rollstuhl, ich schnappe mir die Tasche und lächle ihr aufmunternd zu.

Der Knopf von Etage vier wird gedrückt und es ist genau der Moment, in dem das Wort Onkologie neben der Stationsnummer aufleuchtet, als mir klar wird, dass der Krebs in unserem Leben angekommen ist.





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