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  • AutorenbildMichi

Nein zu toxischen Menschen


Als es mir im Winter besonders schlecht ging, war ich auf der Suche nach professioneller Hilfe. Die meisten werden wissen, wie schwierig es ist einen Therapeuten zu finden, geschweige denn zeitnah. Ich holte mir Empfehlungen ein, telefonierte etliche Nummern ab und machte bereits da teilweise wirklich spannende bis grenzwertige Erfahrungen im Umgang mit mir als potentieller Klientin. Feingefühl, Empathie und Freundlichkeit sind auch bei Psychologen nicht zwingend gegeben.

Immerhin hatte ich einen Termin bei einem wirklich ganz reizenden Therapeuten, dem ich in der knappen Zeit meine Situation zu schildern versuchte. 45 Minuten sind nicht gerade lang und ich versuchte zwei Jahre, vier Todesfälle und weitere Veränderungssituationen, in denen ich mich befand und die Gesamtkrise zu umreißen. Er stellte fest, dass ich sehr gehetzt wirkte, dass ich da gerade ganz große Entscheidungen zu treffen hätte und riet mir, erst einmal nichts zu überstürzen und abzuwarten, bis wir mit der Therapie beginnen würden.

Mir ist bewusst, wie lange die Vorlaufzeiten sind und ich fragte vorsichtig, wann das denn sein könnte … Lasst es mich so sagen: Aktuell wäre ich immer noch auf der Warteliste. Die Tatsache, dass ich bereits mitten in der Krise Entscheidungen getroffen hatte, konnte er nicht gutheißen – ich aber auch nicht warten oder Dinge rückgängig machen.


Meine Suche führte mich zu einem weiteren Therapeuten, der in Zeiten von Corona Videositzungen anbot und da ein Termin zu einer sehr frühen Uhrzeit frei geworden war, hatte ich Glück, weil ich bereit war, diese anzunehmen. Natürlich ist es eine andere Situation, wenn man per Video miteinander spricht und Sitzungen hält. Doch bereits bei unserem zweiten Termin brach die Verbindung mehrfach ab. So etwas kann ja immer mal passieren, was mich aber überraschte, war seine Reaktion. Ich erhielt Anweisungen, wie ich diese Sitzungen zu handhaben und dafür zu sorgen hätte, dass so etwas nicht mehr vorkäme. Es war keine Frage, dass es meine Schuld war und an meiner Verbindung lag. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits berufsbedingt ein Dreivierteljahr Dauerzoom hinter mir und schon ein wenig Erfahrungen gesammelt, meine Ansicht wurde aber ignoriert.

Nun ja, auch Therapeuten können schlechte Tage haben. Ich buchte es unter technische Störung ab und packte auch zwei weitere Male Verspätung unter ‚sei nicht immer so streng und kritisch‘. Gestört hat es mich aber trotzdem. Zum einen hast du eine so knappe Zeit, dass auch fünf Minuten viel sind und zum anderen finde ich Pünktlichkeit hat etwas mit Respekt vor dem Gegenüber zu tun.

Zum verzögerten Beginn kamen Anmerkungen und Ansichten hinzu, die nichts mit dem Thema zu tun hatten, lediglich zeigten, wie allumfassend seine Meinung und sein Wissen war. Das war dann ein völlig zusammenhangloser Vortrag zum Thema Allergien, große Philosophen oder sonstiges, das es zu kennen und befolgen galt. Es war nicht viel, aber es nervte und irritierte mich einerseits, andererseits merkte ich auch, dass sich etwas bewegte und immerhin hatte ich einen Therapeuten gefunden!

Ziemlich schnell kamen wir auf das Thema Selbstfürsorge und Pausen. Das ist nun wirklich ein Thema, mit dem ich mich immer schon schwergetan habe. Die klassische Mittagspause kommt bei mir einfach selten vor. Dass ich daran etwas ändern musste, war mir klar. Allerdings bekam ich auch hier einen Megavortrag über die Franzosen und deren Verhältnis zum mittäglichen Pausieren, dem savoir-vivre etc. Den Ansatz sah ich nicht für mich, bemühte mich aber darum, tatsächlich Pausen einzulegen, regelmäßig etwas zu essen und mich nicht im Berufsalltag völlig zu verlieren. Für meine Verhältnisse hatte ich eine gute, fürsorgliche Woche hinbekommen und das trotz einer wirklichen Höllenwoche, wie man sie nur selten hat. Die Beurteilung fiel rüde aus – unter den französischen Verhältnissen galten meine Fortschritte nichts. Meine 20 Minuten um den Block laufen oder eine hart erkämpfte halbe Stunde Pause waren nichts. Für ihn stand fest, dass es täglich 90-120 Minuten Pause braucht. Vielleicht bin ich da sonderbar, aber ich kenne in meinem Umfeld niemanden, geschweige denn in einer Führungsposition, der täglich einer Klischeevorstellung folgend bei Wein und angenehmen Geplauder am Rhein sitzt und über das Leben philosophiert und sich seine zwei Stunden Auszeit nimmt. Kleine Pausen am Vor- und Nachmittag natürlich bitte on top.


Ich wollte immer noch glauben, dass ich zu streng mit meinen Vorstellungen war und so wagte ich einen für mich immensen Schritt und berichtete von meinem wohl schlimmsten Trauma aus der Zeit mit meiner Mam auf Intensiv und einer damit verknüpften Erkenntnis, die ich hatte.

Es fiel mir schwer, es war emotional, aber dafür war ich ja hier. Eine Reaktion blieb aus – es gab keine. Was es gab, war ein Themenwechsel zu Pausenzeiten und meinem Problem, Pausen zu akzeptieren. Ich war erst einmal sprachlos. Wie konnten wir in dieser Situation wieder bei Pausen landen und dazu noch bei Vorhaltungen diesbezüglich, die ich gemacht bekam? Da die Zeit verstrichen war, wurde ich verabschiedet und mit meinen Emotionen und Gedanken zurückgelassen.


Bis zum nächsten Termin war klar, dass dies keine für mich hilfreiche Therapie werden würde. Ich bat also zu Beginn der Sitzung darum, noch einmal über das Geschehene sprechen zu können und sprach seine völlig fehlende Empathie und Reaktion an. Es gab auch jetzt keine. Ich wartete ab und er fragte mich, ob es das gewesen sei oder was ich von ihm wolle. Eine Antwort, eine Reaktion, eine Erklärung würde ich mir wünschen – und ich bekam sie: Er sei nicht bereit gewesen. Entsprechend sah er sich nicht in der Lage darauf zu reagieren.

Ich fragte ganz konkret, ob ich davon ausgehen müsse, dass egal, was ich erzählen würde und egal wie schmerzhaft es für mich sei, ich damit rechnen müsse, dass er nicht reagieren würde bzw. nicht empathisch sein werde, weil er ggf. nicht bereit sei? Ja! Denn im Grunde sei dies nicht seine Aufgabe und überhaupt sei es so, dass ich nicht einfach willkürlich mit meinen Themen kommen könne, da seien die Rollen vertauscht, denn das obliege ihm. Hinzu käme, dass ich sehr genau wüsste, was ich wolle und das ginge so nicht, dazu meine Verweigerung hinsichtlich der Pausenthematik und nicht zu vergessen, wenn ich jetzt ginge, dann würde das viel über mich sagen und ich müsse mich nicht wundern, wenn es beim nächsten Therapeuten und auch in anderen Beziehungen genauso laufen würde, denn dann würde ich merken, dass es an mir läge… Ich habe mich tatsächlich höflich verabschiedet und bedankt für die Erkenntnisse, die ich ja trotz allem mitnehmen durfte. Es wurde mit einem „Was auch immer“ quittiert.


Ich habe die Videositzung beendet, langsam ein- und lange ausgeatmet, meine Hände im Schoß betrachtet und dann habe ich einen Jubelschrei ausgestoßen, bin aufgesprungen und habe mich so gefeiert, wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich hatte endlich auf meinen Bauch vertraut, meine innere Heldin war auf die Lebensbühne gesprungen und war für mich eingestanden und das Beste daran waren die Gefühle: pure Selbstfürsorge, Freiheit, Freude, Stolz, Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit – und die Erkenntnis, dass ich mich nicht schlecht fühle, wenn ich für mich eintrete, im Gegenteil! Ich hatte mir nicht einreden lassen, dass ich das Problem bin und mit mir etwas nicht stimmt, sondern ich hatte für mich gesprochen und gehandelt, meinen Maßstab angelegt und endlich den Weg zu meinem Bauchgefühl freigegeben!


Dieses „Ich war nicht bereit“ ist für mich bis heute die Bankrotterklärung. Ich war sowohl in Coachings als auch in Trainings auch nicht immer auf die Emotionen bzw. emotionalen Aus- und Zusammenbrüche mancher Coachees/Teilnehmenden vorbereitet, weil sie überraschend kamen, oftmals für die Personen selbst. Aber mein Job ist es, diejenigen aufzufangen, zu begleiten, ihnen empathisch und wertschätzend zu begegnen, ihre Geschichten und Emotionen zu würdigen und nicht zuletzt ihr Vertrauen, das sie mir entgegenbringen nicht zu enttäuschen. DAS ist mein Anspruch – und den darf ich auch für mich anwenden.

Deshalb bin ich auch dankbar für diese Erfahrung – im Grunde war diese Begegnung zwar schlimm, aber für mich ein unfassbar wertvoller Gamechanger. Ich kann ‚Nein‘ zu toxischen Menschen/Beziehungen sagen und das tue ich seitdem ganz bewusst. Ich erkenne toxische Situationen, habe auch vergangene für mich reflektiert und feiere vor allem die Heldin in mir, die erkannt hat, dass sie für sich einsteht und sich dabei nicht schlecht fühlt, weil es nicht um anstrengend, anspruchsvoll oder schwierig geht, sondern um Respekt, Wertschätzung und Menschlichkeit.


In diesem Sinne habt es fein, bleibt gesund und voller Vertrauen – Rock 'n' Roll & Ommm Michi

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