Ich habe ewig nichts mehr geschrieben! Tatsächlich sind es vier (!) Jahre und es schockiert mich ehrlich gesagt gerade selbst am meisten. Wie konnte das passieren und was war in den letzten Jahren los? Ich kann bzw. will es nicht glauben, aber es ist so – und es war einfach schlicht zu viel! Ich kann es gar nicht in so große Lettern schreiben wie ich will: ZU VIEL!
2016-2018? Von der Selbstständigkeit mit einer halben Stelle Projektarbeit, in ein komplettes Angestelltenverhältnis und trotzdem noch als Selbstständige Workshops geben, Preisverleihungen moderieren und coachen: das war absehbar … Wahnsinn!
Als uns Ende 2018 noch ein Wasserschaden in der Wohnung wochenlang in Atem hielt und an Weihnachten Gott sei Dank alles wieder in Ordnung war, habe ich mir geschworen, auf die Bremse zu treten – und das habe ich auch getan, allerdings sehr kurz …
Einige haben bemerkt, dass ich 2019 förmlich abgetaucht bin. Wenn ich durch Instagram oder facebook scrolle, sehe ich die auffallend wenigen Beiträge. Das lag aber nicht an einem tollen Social Media Detox, sondern daran dass meine Mam Mitte Januar völlig überraschend die Diagnose Leukämie erhalten hat und alles mit einem Schlag anders war. Ich weiß noch genau, wie die Welt einfach kurz stillstand, alles leise und dumpf, wie im Nebel wurde. Diese Zeit ist wie unter einem Mikroskop, jedes Detail gespeichert, schmerzlich intensiv. Im Juli haben wir sie gehenlassen müssen und auch wenn es mich zerrissen hat, musste ich wieder Entscheidungen treffen, Angelegenheiten regeln und mich um so unfassbar Vieles kümmern. Dabei hat mich nicht nur die Diagnose und der Tod meiner Mam vereinnahmt, sondern auch die schweren Erkrankungen von zwei weiteren, engen Freundinnen.
Parallel zur Hausauflösung und meinem Umzug in mein Elternhaus, habe ich von der Weiterbildung in die Geschäftsbereichsleitung gewechselt und eine neue Stelle angetreten. Wenn ich das so schreibe, frage ich mich gerade selbst: Geht’s noch? Ja, es ging – irgendwie, weil es ja immer irgendwie geht und gehen muss.
Weihnachten 2019 war eine der beiden Freundinnen zu Besuch, die sich auf dem Weg der Besserung befand und wir waren so unfassbar dankbar, wie gut es ihr wieder ging, so froh, uns sehen zu können und uns zu haben, weil sie als Wunder überlebt hat. Das neue Jahr sollte also bitte wirklich besser werden!
Auf 2020 lag entsprechend viel Hoffnung. Ich wollte endlich ein fröhlicheres Jahr, gerne ein etwas ruhigeres, ohne Dramen, ohne Trauer. Doch 2020 war alles andere – nur nicht fröhlich oder entspannter. Es wurde ein Jahr der Trennungen und Verluste.
Es fing harmlos an, ich atmete gefühlt ein wenig aus und auf. Gestärkt von der einen Freundin, sah ich auch die andere Freundin optimistisch nach vorne blicken, die sich trotz andauernder Chemo so tapfer, so bewundernswert gut hielt.
Der März brachte uns allen eine Wende, die anfangs noch so unwirklich schien. Wo man noch überlegte, ob man sich die Hand geben sollte oder besser nicht, hatten wir es plötzlich mit einer Pandemie zu tun. Wie oft habe ich in diesem Jahr an meine Mam gedacht und dankbar innegehalten, dass ich im letzten Jahr täglich bei ihr sein konnte. Ich vermag mir den Schmerz nicht vorstellen, den andere Menschen dieses Jahr erleben mussten.
Eingeschränkte Kontakte, geschlossene Grenzen – die Natur war begehrt und ich habe mich in dieser Zeit Hals über Kopf in mein neues Zuhause und die Gegend verliebt. Die Jahreszeiten im schönen Rheinhessen lassen mein Herz höherschlagen, auf Spaziergängen versuche ich mich zu erden und ich genieße diesen Luxus von Freiheit in einer beschränkten Zeit.
Doch ich laufe nicht nur um der Aussichtwillen, ich bin getrieben: es ist viel auf der Arbeit, überall Corona und die Menschen werden von Woche zu Woche mürber, das Thema bleibt beharrlich und wird keinesfalls besser. Auch in meinem engsten Umfeld ist diese emotionale Müdigkeit immer greifbarer. Mich verfolgt die Trauer um meine Mutter, ich steuere immer mehr in eine Krise, werfe alles in die Waagschale und hinterfrage Lebenskonzepte, Beziehungen, Entscheidungen und laufe dabei kilometerweit auf der Suche nach Antworten und den richtigen Fragen, denn ich merke, da braut sich ein Sturm der Veränderungen in mir zusammen.
Im August stirbt meine Freundin an Krebs. Sie hat sich rausgeschlichen, still am frühen Morgen und ich bin unfassbar traurig, aber auch so dankbar, dass wir neben dem täglichen Kontakt tatsächlich noch einen gestohlenen Moment in der Palliativ hatten, wir uns umarmt haben, ich ihr Freude bereiten konnte und sie in ihrer fabelhaften Art bis zuletzt erleben durfte!
Ich merke noch mehr, wie wichtig Alltag ist, wie kostbar die Zeit miteinander, all die Dinge, die wir doch eigentlich wissen verfolgen mich in meinen Gedanken. „Das Leben ist keine Generalprobe, es ist zu kurz, jeder Moment ist wertvoll…“
Erste Konsequenzen ziehe ich und der Sturm wird heftiger. Ich laufe noch immer und mehr und dabei telefoniere ich mit meiner fabelhaften Freundin (und anderen wunderbaren Menschen!), die wieder ins Berufsleben zurückgekehrt ist, ebenfalls wiederum eine Freundin an den Krebs verloren hat und wir sinnieren darüber, was uns das Leben mitteilt und wie es weitergehen soll.
Das Leben teilt uns mit, dass es eine Komplikation bei ihr gibt. Sie muss erneut operiert werden, wieder Intensivstation, wieder wochenlang in der Klinik, aber sie ist einfach ein Phänomen. Sie steht das durch und berappelt sich auch dieses Mal unfassbar gut. Sie ist doch meine Schwester im Herzen, ich bin erleichtert und zum ersten Mal machen wir wieder Pläne für die Zeit nach ihrer Reha, die sie gerade angetreten hat.
Es ist Sonntag und obwohl mich zwar nicht Corona, sondern ein anderer Infekt gerade böse flachliegen lässt, spüre ich den Anflug von Energie. Ich freue mich auf unser nächstes Telefonat, doch dazu kommt es nicht mehr: Am Dienstagmorgen muss mir ihre Mutter mitteilen, dass sie gerade völlig unerwartet gestorben ist. Alle Energie ist wie ausgelöscht und ich erreiche den Tiefpunkt.
Es geht nicht mehr. Es geht mir nicht gut. Punkt. Ich merke mit einer Wucht, wie sehr ich nur noch funktioniere, wie ich reagiere, wie ich nicht mehr ich selbst bin und eigentlich schon lange gar nicht mehr weiß, was ich bin und möchte.
Ich habe die Reißleine gezogen, auch wenn ich Angst vor meiner eigenen Courage habe. Das viel beschworene „Wenn nicht jetzt …“ setze ich um, bang ob der Reaktionen und der Zukunft. Doch gerade an den düstersten Tagen, sind sie auf einmal da: unglaublich wunderbare Rückmeldungen, Danksagungen und Lob, da kommen E-Mails im richtigen Moment und ich begegne Menschen, die der Himmel in mein Leben schicken muss, da berühren Worte mein Herz – weil ich bereit bin hinzuhören und es zuzulassen.
Ich habe meinen Job gekündigt und weiß, ich muss jetzt erst einmal genesen, bevor es weitergeht. Aber trotz allem spüre ich die Kraft dreier so unterschiedlicher, starker Frauen, die mir Großzügigkeit, Mut, Neugier und Vertrauen hinterlassen haben. Und ich nehme all diejenigen wahr, die hinter mir stehen, die mich ermutigen, die mit mir daran glauben, dass Lebensfreude, Leichtigkeit und Leidenschaft zurückkehren werden und dafür DANKE ich EUCH so!
Bleibt alle gesund, achtet auf Euch und Eure Lieben – und lasst uns ein gutes 2021 gestalten, denn das Leben ist Jetzt!
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